Biologie der „extremen Varianten“  Minderbegabung und Genie

Psychiatrie

 

Als ärztlicher Leiter des Staatlichen heilpädagogischen Laboratoriums für Pathologie und Therapie in Budapest (1927-1941) setzte Szondi seine experimentellen konstitutionsanalytischen Forschungen bis zu Beginn der schicksalsanalytischen Schaffensphase (1937) fort. Er begann bereits 1919 mit seinen konstitutionsanalytischen Arbeiten als Mitarbeiter von Pál Ranschburg.

Szondi untersuchte Menschen mit entwicklungsbedingten Verminderungen der Intelligenz und jener Fertigkeiten, die zum Intelligenzniveau beitragen, wie Kognition, Sprache, motorische und soziale Fähigkeiten („Schwachsinnige“ und „Oligophrene“ in der damaligen Nomenklatur).

 

  • Szondi gelangte zur Erkenntnis, dass sowohl ausgeprägt Minderbegabte als auch Genies und Hochbegabte dieselbe Biologie der ‚extremen Varianten’ mit ihrer charakteristischen Fülle von somatopathologischen und psychopathologischen Befunden aufwiesen.

 

Den Intelligenzquotienten (IQ) ergänzend, erarbeitete er einen biologischen Abweichungsquotienten (B.A.Q.) zur Berechnung des Mittelwertes der extremen Eigenschaften einer Gruppe bzw. einer Person.

 

  • Mit der Bestimmung der alimentären glykämischen Reaktion (Zuckerbelastungsprobe) gelang es Szondi und Mitarbeitern, zwei Verhaltenstypen der oligophrenen Persönlichkeit, die „apathisch-torpide“ und die „irritativ-erethische“ zu unterscheiden. Diese zwei Formen der Oligophrenie zeichneten sich durch zwei polar entgegengesetzte biologische und verhaltensmässige Organisationen aus.

Er erkannte auch, dass torpid-apathische Minderbegabte mit anderen heilpädagogischen Methoden zu unterrichten und zu fördern seien als erethische Minderbegabte. Reizreiche, möglichst alle Sinnesmodalitäten anregende Methoden, geeignet für die apathische Gruppe, wären für die irritative Gruppe kontraindiziert.

 

Ebenso teilte Szondi das Krankheitsbild der Neurasthenie in zwei Syndrome auf, das „apathische“ und „irritative“. Aufgrund der neuen Unterteilung erkannte er als erster, dass sich die damals breit angewandte Bromtherapie für die apathische Sonderform der Neurasthenie als streng kontraindiziert erwies.